In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts befindet sich Freiburg durch die industrielle Entwicklung in einem Umbruch und erlebt ein sprunghaftes Wachstum. Viele Arbeitssuchende ziehen in die Stadt, um in deren Fabriken Arbeit zu finden – und nicht alle kommen zu ihrem Ziel. So ist auch in Freiburg eine Verelendung der Arbeiterkreise zu verzeichnen. Ein weiteres Problem war, dass die kirchliche Versorgung in den schnell wachsenden Stadtteilen bald nicht mehr zu leisten war. So gab es damals nur im vornehmen Herdern eine evangelische Kirchengemeinde, die Ludwigsgemeinde.

Es waren Christen aus dieser Gemeinde, wohlsituierte Herren, die als Antwort auf die Nöte der Arbeiter die Evangelische Stadtmission Freiburg gründeten. Gedacht war sie als „missionarische Dienstgruppe mit dem Auftrag der Verkündigung, der Sammlung und der diakonischen Seelsorge an den Menschen, die von der Kirchengemeinde nicht errreicht werden können …“ (§2 der Vereinssatzung). Inspiriert waren sie durch Johann Hinrich Wichern, der den Gedanken der Stadtmissionsarbeit in England und Schottland kennengelernt und nach Deutschland „importiert“ hat.

Stadtmissionen in vielen Städten

1826 war in Glasgow die erste Stadtmission gegründet worden, 1835 in London eine weitere. 1848 schliesslich war es dann durch Wicherns Engagement in Hamburg soweit, kurze Zeit später auch in Berlin. Als im Mai 1882 die Freiburger Stadtmission gegründet wurde, gab es in anderen, auch kleineren Städten wie z. B. Karlsruhe längst große wachsende Stadtmissionen. Auch der für seine christliche Haltung bekannte Freiburger Industrielle Carl Mez machte sich für die „christlich-soziale Sache“ stark. Er war es, der seinen Buchhalter Theodor Hickel 1884 zwar auf der Gehaltsliste behielt, ihn aber für die Arbeit der Stadtmission freistellte und so über fast drei Jahrzehnte die Entfaltung der Arbeit sicherte. Zwar war die missionarische Verkündigung des Evangeliums in Arbeiterkreisen, der Wunsch Kirche für die Armen zu sein, das erste Anliegen der Stadtmissionsarbeit. Doch von Anfang an wurde erkannt, dass der Glaube nicht ohne tatkräftige Hilfe verkündigt werden kann. Die heutige Trennung zwischen Kirche und Diakonie wäre für das Denken der Pioniere der „Inneren Mission“ sicher befremdlich gewesen.

Tradition mit Zukunft

Dass der ganze Mensch im Blickfeld der Stadtmissionare war, kann man erahnen, wenn man liest, was alles von diesen initiert und betrieben wurde: In Freiburg gehörten bald gehörten die „Herberge zur Heimat“, die Krankenhausseelsorge, ein Gebrauchtmöbellager, Gottesdienste in Stadtteilen ohne evangelische Kirche, Stellenvermittlung, berufsgruppenspezifische Freizeitangebote, Jugend- und Suchtkrankenarbeit zu den Aufgaben der Stadtmission. Mit ihren Angeboten hat die Stadtmission zweifelsohne Pionierleistungen zum Aufbau sozialer Hilfen in Freiburg eingebracht.

Heute werden verschiedene Einrichtungen und Angebote für alte und pflegebedürftige Menschen, eine Suchtberatungsstelle, eine Werkstatt für Langzeitarbeitslose, die Bahnhofsmission und die ALPHA-Buchhandlung sowie das Hotel und Tagungshaus ALLA FONTE in Bad Krozingen betrieben. Außerdem gehört zur Stadtmission die evangelische Gemeinde dreisam3. Die Profilgemeinde ist der Badischen Landeskirche angeschlossen und im Kirchenbezirk Freiburg verankert. Längst hat sich das Werk über die Stadtgrenzen Freiburgs hinaus entwickelt. In den Einrichtungen in Freiburg, Breisach, Bad Krozingen, Lörrach, Bötzingen und St. Peter sind mittlerweile mehr als 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

Im Leitbild der Stadtmission heißt es: „Arbeitsgebiete können neu entstehen oder aufgegeben werden“. Dieser Satz spiegelt wider, dass die Arbeit bis heute dynamisch geblieben ist und sich immer wieder wandelt. So mangelt es auch nach mehr als 125 Jahren nicht an Zukunftsperspektiven.

Das Sammelsurium der Aufgaben, damals und heute, zeigt, was die Identität der Stadtmissionsarbeit ausmacht: Glaube und Liebe, Verkündigung des Evangeliums und soziale Arbeit sollen, weil sie zusammengehören, gemeinsam betrieben werden. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz will die Stadtmission auch in der Zukunft für Menschen da sein, die ihrer Hilfe bedürfen.

22.05.1882 Vereinsgründung
1882 Bibelstunden in Teilorten ohne Kirchengemeinde
Schriftenmission unter Arbeitern
Seelsorge in Krankenhäusern, unter Arbeitern und verarmten Menschen
1885 Beginn der Blaukreuzarbeit
1887 Gründung eines Evangelischen Arbeitervereins
1888 Stellenvermittlung für Arbeitssuchende

1. Bazar der Stadtmission

1906 Beginn der Kellnermission
1908 Gründung einer Soldatensektion
Gebrauchtmöbellager für Bedürftige
Gründung eines Jungfrauenvereins
Gründung eines Jünglingsvereins (später CVJM)
2 Sonntagsschulen mit über 100 Kindern
Gründung der Christl. Bäckervereinigung
1914–18 Speisungen für Kleinrentner, Erwerbslose und andere Bedürftige
1919  Lehrlingsheim
1920 Weitergabe von Kleidungs- und Lebensmittelspenden
1923 Erwerb des Wichernhauses
1924 Evangelische Buchhandlung
1930 Heim für obdachlose Frauen und Mädchen
Beginn des Altenheimes
1939–45 Hilfsaktionen für Notleidende
1970 Umbau und Erweiterung des Hauses Adelhauser Str. 27
1976 Beginn der Offenen Altenarbeit
1993 Bezug Seniorenwohnheim Haus Siloah
Beginn der Junge-Erwachsenen-Arbeit „Unterwegs“
Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtgefährdete und Suchtkranke und Blaues Kreuz ziehen in die Lehener Str. 54a
Übernahme der Ev. Bahnhofsmission am Freiburger Hauptbahnhof
1995 Gründung einer Diakoniestation in Freiburg
Übernahme der Holzwerkstatt zur Qualifizierung und Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser
Gründung einer Diakoniestation in Bad Krozingen
Übernahme des Seniorenpflegeheimes Breisach
1998 Eröffnung der Seniorenwohnanlage „Betreut wohnen am Kurpark“ in Bad Krozingen
2000 Betreuungsdienst in der Seniorenwohnanlage Staufen „club 60+“ durch die Betreut wohnen gGmbH
2001 Ev. Stadtmission übernimmt Hausverwaltung in der Seniorenwohnanlage St. Peter
Diakoniestation Freiburg fusioniert mit Diakoniestation Bad Krozingen
Eröffnung des Seniorenpflegeheims Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Bad Krozingen
2002 Eröffnung des Hotels und Tagungshauses ALLA FONTE GmbH in Bad Krozingen
Eröffnung der Alpha Buchhandlung in der Evangelischen Stadtmission Freiburg
2003 Eröffnung des Josefshauses in St. Peter, Wohnheim für abhängige Menschen
2004 Gründung der ev. Gemeinde dreisam3 in den Räumen der Pauluskirche in Freiburg
2005 Eröffnung der Senioren-Wohnanlage „SeniorenWohnen am Adelhauser Klosterplatz“
2006 Umzug des Pflegeheims Breisach in das neue Heim an der August-Ehrlacher-Straße
2007 125-Jahr-Feier der Ev. Stadtmission Freiburg
Gründung der Carl-Isler-Stiftung
2008 Übernahme des „Hauses der Altenpflege“ in Lörrach vom Diakonissenmutterhaus St. Chrischona
Neubau des Pflegeheims Bötzingen mit fünf Senioren-Wohnungen
2010 Übernahme des „S’Einlädele – Gemeinnützige Gesellschaft für Mission und Seelsorge“
2018 Wiedereröffnung von Paulussaal und -kirche nach umfangreicher Sanierung
Neueröffnung des „Pflegehauses Nouvelle“ in Breisach